Vom 23. bis 24. Juni 2022 fand die 6. Internationale Tagung Soziale Arbeit und Stadtentwicklung der Fachhochschule Nordwestschweiz Hochschule für Soziale Arbeit statt. Thema der Tagung waren „Visionen städtischer Entwicklung. Zwischen Idealisierung, Praxis und Materialisierung“. Die Beitragenden waren dazu aufgerufen, sich mit den „vielfältigen, konkurrierenden und durchaus auch konfliktreichen Visionen von Stadt und gesellschaftlichem Zusammenleben“ zu beschäftigen. Matthias Möller, damals wissenschaftlicher Koordinator des Strategieverbundes KulturWissen vernetzt und Sarah Wirschke, zu diesem Zeitpunkt Promotionsvolontärin an der Landesstelle für Alltags- und Regionalkultur, nahmen in ihrem Beitrag die Teilnehmenden mit auf eine virtuelle Exkursion zu Freiburgs Stadtwachstum und der Stadterweiterung Dietenbach, den Konfliktfeldern rund um den neuen Stadtteil sowie den daran beteiligten Akteur*innen und der partizipativen Dietenbach-Sammlung.
Diese Sammlung war später Grundlage für das zweisemestrige Masterprojekt „Aufbrüche und Abgründe. Freiburgs Wachstum und die Stadt von morgen“ am Institut für Empirische Kulturwissenschaft in Freiburg unter der Leitung von Matthias Möller. Basis für den Beitrag war die Kooperation des Universitätsinstituts mit dem Badischen Landesmuseum, die den Entstehungsprozess und die Auseinandersetzungen um Dietenbach aufgrund deren gesellschaftlicher Relevanz aus unterschiedlichen Perspektiven dokumentierten.
Dietenbach: ein umstrittenes Projekt
Dietenbach ist ein Stadtteil, der im Westen Freiburgs auf zuvor überwiegend landwirtschaftlich genutzten Flächen entsteht. Wie in vielen anderen Großstädten auch ist in Freiburg Wohnraum knapp und teuer. Deswegen entsteht im Westen der Stadt zwischen 2025 und 2042 Wohnraum für ca. 16.000 Menschen. Die größte Stadterweiterung in der Geschichte Freiburgs möchte vorrangig bezahlbare Wohnungen schaffen. Die Pläne sehen außerdem Klimaneutralität in lebendigen und verkehrsberuhigten Quartieren mit attraktiven Angeboten der Nahversorgung und Freiflächen vor. Ausgangspunkt für den Tagungsbeitrag war die Beobachtung, dass Dietenbach trotz dieser Zielsetzungen umstritten war und ist. Die Transformation von Ackerflächen in urbanen Stadtraum wurde als Bruchstelle gedeutet, an der sich die Debatten um die Stadt von morgen und große gesellschaftliche Zukunftsfragen in besonderer Art und Weise entzünden und mit und über den neuen Stadtteil lokal verhandelt werden.
So stehen der Verlust von Ackerland und Grünflächen, Wachstumskritik und Verkehrsfragen einer Stadtplanung gegenüber, die sich ökologischen und sozialen Anforderungen für den Wohnungsbau verpflichtet sieht. Die virtuelle Exkursion führte zunächst auf den umstrittenen Baugrund und die Geschichte von Freiburgs Stadterweiterung. Die zweite Station bildeten Themenfelder und Konflikte der Auseinandersetzungen um den neuen Stadtteil und die beteiligten Akteur*innen.
Sammeln als partizipativer Prozess
Abschließend wurde das Sammlungskonzept für Freiburg Dietenbach zur Diskussion gestellt. Es lud ganz unterschiedliche Prozessbeteiligte dazu ein, Beiträge für die konfliktreiche Entstehungsgeschichte Dietenbachs einzureichen. Der partizipative Ansatz zielte auf die Erfassung gegenwärtiger Phänomene aus alltagskultureller Perspektive. Gleichzeitig verstand er sich als Beitrag zu einer machtsensiblen und gegenwartsbezogenen Social Museology für die Stadt von morgen.